Online-Unterricht bis kurz nach eins. Danach einen Gruppenvortrag mit Mitschülern vorbereiten über Teams. Instrumentalunterricht am Nachmittag über Skype. Und abends die Vorbereitung des nächsten Konfirmationsunterrichts durch die Kirchenjugend über Zoom. Oder doch Teams? Ich weiß es nicht. Der Corona-Alltag einer 10-Klässlerin gestaltet sich digital. Was vor einem Jahr futuristisch erschienen wäre, ist Normalität geworden. Das Leben läuft auf Abstand und doch irgendwie nicht. Eben noch saß ich selbst in einer Konferenz mit zwei Italienerinnen, einer Inderin, einem Portugiesen, meinen Kollegen aus Stuttgart, Berlin, Braunschweig. Ich mittendrin. In O. Kein Mensch käme mehr auf die Idee, für diese Meetings um die Welt zu fliegen. Doch was macht das mit uns? Es bietet zweifelsohne Bequemlichkeiten, wenn Schulbank und Arbeitsplatz nur wenige Meter vom Bett entfernt liegen. Noch zweifelsfreier auch Nachteile. Sollte ich bald einmal die Sehstärke der Kids überprüfen lassen? Schließlich bin ich selbst schon Dauergast beim Chiropraktiker. Die Liste der mir selbst auferlegten Übungen wird länger. Wenn da nur nicht so oft der Schweinehund bellen würde. Training ist ja leider nicht. Aber man darf ja noch allein spazieren gehen.

Während die Auswirkungen mangelnder Bewegung verbreitet sichtbar werden, ist die psychische Wirkung digitalen Seins weit subtiler versteckt. Studien sagen uns, welchen Stress es dem Gehirn bereitet, zwischenmenschliche Interaktion im Miteinander nur über das Hören aufnehmen zu wollen. Wo es an Mimik und Gestik gewöhnt ist. Wo Schweigen ohne sichtbaren Denkfalten des Gegenüber plötzlich bedrohlich wirkt. Wo man sich selbst ohrfeigen möchte, wenn man dem Gesprächspartner das dritte Mal versehentlich ins Wort gefallen ist.
Entsprechend k. o. sind die Kids nach dem Distanzunterricht. „Was bin ich froh, dass ich kein Lehrer bin.“, bemerkte meine Tochter heute. Da gebe ich ihr Recht. In den anonymen Raum hinein zu lehren, ohne zu wissen, wer von der Schülerschaft noch dabei ist, längst verzweifelt oder sich inzwischen mit Insta oder dem neuesten Game beschäftigt, ist heroisch. Zumal selten klar ist, welche Unterrichtsform in der nächsten Woche dran sein wird. Der Mehraufwand in Unterrichtvor- und nachbereitung manch vorbildlicher Lehrkraft muss immens sein. Hut ab!