Ein kurzer Ausflug in die Geschichte. Wer hat eigentlich die Schulpflicht erfunden? Hierzulande kann man das weitestgehend den alten Preußen in die Schuhe schieben. Lief auch im 18. Jahrhundert noch nicht so prickelnd. Neben dem noch einzuführenden Verbot von Kinderarbeit als Grundlage ist uns ein Problem sehr gut bekannt. Lehrermangel. Der Soldatenkönig verdonnerte kurzerhand seine ausgedienten Soldaten und Tagelöhner zum Lehrerdasein. Heute nennt man das Quereinsteiger. Wenngleich diese in unserem Jahrhundert deutlich besser qualifiziert sind. Manchmal auch überqualifiziert. Preußens überfüllte Klassen und marode Schulgebäude – auch das kommt uns bekannt vor.
Seit der Weimarer Republik haben wir nun im Gegensatz zu den meisten europäischen Nachbarn eine echte Schulpflicht. Wir können also unseren Nachwuchs nicht zu Hause unterrichten oder den didaktisch naturbegabten Nachbarn für die Kinderschar des Umkreises engagieren. Auch keine eigene Schule nach unseren Wünschen kreieren, wenn diese nicht staatlich anerkannt ist. Neben Vorteilen hat das auch entscheidende Nachteile.
Wir sind auf die unzweifelhaften Errungenschaften unserer Altvorderen offenbar derart stolz, dass wir keine Veranlassung sehen, am damals bewährten System Grundlegendes zu ändern. Während wir in Hirnforschung samt frühkindlicher Pädagogik große Fortschritte machen, scheinen uns diese Erkenntnisse ab Schuleintritt der Kinder völlig schnuppe zu sein. Wir wissen sehr genau, was es mit unseren Kindern macht, wenn sie urplötzlich in ein permanentes Bewertungssystem eintreten, wo sie deutlich mehr Fehler als Stärken gespiegelt bekommen. Es ist uns offenbar egal. Wir wissen auch, dass wir mit einer Angstkultur durch ständige Leistungskontrollen das Lernen behindern anstatt es zu fördern. Wir nehmen es in Kauf, denn wir bilden ja für eine Leistungsgesellschaft aus. Wir haben herausgefunden, dass trotz natürlichem Lernbedürfnis nur 6% aller 13jährigen noch Lust auf Schule haben, obwohl unser Nachwuchs des 21. Jahrhundert langsam ein Recht auf eine glückliche Kindheit haben sollte. Ist eben so. Es ist uns klar, dass eine Frontalbeschallung einer 30köpfigen Horde eine suboptimale Lernsituation darstellt. Theoretisches Wissen scheint uns wichtiger zu sein als Kompetenzen, obwohl wir aus Studien wissen, dass etwa 95% der Lerninhalte wieder verloren gehen.  Weil sie eben nicht nachhaltig vernetzt gespeichert werden. Und dann wundern wir uns, warum Arbeitgeber bei den Schulabgängern Dreisatz und Prozentrechnung vermissen. Von Kernkompetenzen wie Motivation, Kreativität und Resilienz ganz zu schweigen. Ach was?! Es scheint an manchen Stellen, als ob wir noch für die preußische Garde des vorletzten Jahrhunderts ausbilden.