Latein. Die Mutter aller Sprachen. Wird gern so dargestellt, stimmt aber nicht. Kluge Sprachwissenschaftler haben methodisch erschlossen, dass es um 3000 v. Chr. eine gemeinsame indogermanische Sprache gegeben haben muss. Irgendwo zwischen Germanien und Indien. Wie man das macht? Man schaut sich Wörter wie „Rad“ und „Wasser“ an, die es in den einzelnen Sprachen schon immer gegeben haben muss, vergleicht sprachliche Konstrukte und deren Wandlungen. Und findet Gesetzmäßigkeiten. Der Märchenonkel Jacob Grimm war hier einer der Vorreiter. Was bringt uns dieses Wissen? Lateiner brauchen gar nicht so anzugeben! Richtig ist, dass sich u. a.  Spanisch, Französisch und Italienisch aus dem Lateinischen entwickelt haben. Schleierhaft ist, warum Schüler das ausgestorbene Latein lernen soll, um sich dann besser Fachwörter zu erschließen. Die gleichen Wortstämme gibt es in den lebenden Nachfolgesprachen natürlich auch. Es hat einen Grund, warum das alte Zeug keiner mehr spricht. Otto Normalbürger hat es irgendwann nicht mehr verstanden. Lol.
Hat mal jemand „De bello gallico“ von Caesar gelesen? Standardwerk für Lateinschüler. Es geht da nicht um Hunde, sondern den gallischen Krieg. Das Übersetzen lateinischer Texte ist eher eine Aufgabe für Theoretiker und Detektive, da es äußerstes Verständnis der lateinischen Grammatik in allen seinen Ausprägungen, ein Gespür für das Auffinden sprachlicher Konstrukte und Durchhaltevermögen beim Überblicken ellenlanger Sätze erfordert, da das entscheidende Verb immer am Ende STEHT. Na, wer hat es bis zum Verb durchgehalten? Es heißt wohl deshalb Prädikat, weil man es sich verdienen muss. Nicht falsch verstehen, ich mag Latein. Habe das Latinum in einem Uni-Crashkurs nachgeholt, denn für Sprachwissenschaftler ist es oft noch Pflicht. War cool, denn Latein klingt sehr schön und ich stehe auf Detektivromane. Es gab allerdings nur einen weiteren Kommilitonen, der das auch so sah.
Dass das Latinum fürs Jura- oder Medizinstudium erforderlich ist, gehört glücklicherweise inzwischen ins Reich der Märchen. Das ist auch absolut nachvollziehbar. Im „gallischen Krieg“ war partout nichts über Rechtsherzinsuffizienz oder den Musculus tensor fasciae latae zu erfahren. Und Ärzte deklinieren und konjugieren heute seltener in sechs Casus. Ja, der Plural von Casus ist immer noch Casuuuuus, der von Status ist Statuuuus. Das haben uns die Lateiner voraus. Und natürlich die klugen Redewendungen, mit denen man sehr gescheit erscheinen kann. Esse quam videri. Besser sein als scheinen. Cicero.