Geometrie ist etwas sehr lebenspraktisches, bin ich überzeugt. Wann ich das letzte Mal das Volumen eines Pyramidenstumpfes berechnet habe, will mein Mann wissen. Ja gut, man muss ja nicht gleich mit der hohen Schule kommen. Die exakte Bestimmung des Rauminhalts eines entsprechenden Blumentopfes ist vielleicht nicht ganz so dringend. Die Ermittlung einer einfachen Rechteckfläche aber zum Beispiel ist wesentlich. Sie ermöglicht mir festzustellen, dass die Herstellerangaben zur Reichweite des Eimers Wandfarbe an mir unbekannten Parametern ermittelt wurden und damit Farbresteeimerstapel im Keller verursachen. Oder man im ungünstigen Falle natürlich wegen ein paar Millilitern noch mal losfährt. Neulich habe ich unseren verwinkelten Dachboden im Mathebuch meiner Tochter entdeckt. Es galt, das Volumen zu berechnen. Also die Kapazität, bis zu der er noch weitere Kleinkindmöbel und Kinderkleidung aufnehmen kann, bis ich die Kleinanzeigen oder den Sperrmüll bemühe. Super praktisch. Praktisch auch, dass Schüler, denen theoretische Algebra oder Analysis ein Dorn im Auge sind, hier ihre mathematischen Talenten entdecken können. Sich diverse Hilfsdreiecke und -konstruktionen in phantasievoll geformte Hohl- und Spitzkörper hineindecken zu können, ist top fürs Künstlerschülervolk. Die wollen in Mathe nämlich auch mal Glückshormone abfischen. Die Mathe-Freaks dürfen das dann bei Picasso im Kunstunterricht.
Apropos Schulbücher. Wie einladend bunt die doch heute sein können. Manch gut gestaltetes Arbeitsheft wirkt stellenweise wie ein interessantes Rätselheft. Weniger praktisch ist allerdings besagtes Mathebuch. Schön blau so wie die Tonne, in der es am besten aufgehoben wäre. An diesem speziellen Exemplar wird deutlich, dass manchmal mehr Experten verschiedener Fachrichtungen an weniger Büchern arbeiten sollten. Aber die Experten verteilen sich nun mal deutschlandweit auf über 70! Schulbuchverlage. Es belastet meinen ausgeglichenen Seelenzustand jedenfalls enorm, wenn ich den über die Jahre verschollenen Kathetensatz nach langem Suchen irgendwo im dünngedruckten Fließtext finde, während der übliche farbige Kasten für Wichtiges eine ominöse Beispielrechnung beinhaltet, zu dessen Verständnis ich die Formel brauche. Ein Musterbeispiel an unstrukturierter Lernpädagogik. Nicht an jeder Stelle sind Detektivspiele angebracht.
Aber auch Selbstbewusstsein kann man mit manchen Ausgaben gut trainieren. Ich bestärke den Nachwuchs gern zur Niederschrift der Aussage: „Diese Information ist im Text nicht enthalten“, wenn der Lektor mal wieder Urlaub hatte, als Text, Diagramm und Aufgabenstellung aufeinander abgestimmt wurden. Und ergänzend zur Notwendigkeit von Quellenangaben im wissenschaftlichen Arbeiten wie etwa: „Wikipedia erklärt den Sachverhalt folgendermaßen…“. Wikipedia selbst erhält freilich dann immer auch noch einen extra mütterlichen Warnhinweis.
5. März 2021
Kommentare von Mi.Wo.