Ein Gymnasium in Meck-Pomm bietet zweimal wöchentlich Schnelltest für Schüler an. Wer negativ ist, erhält ein Namensschild mit grünem Punkt um den Hals und genießt Privilegien. Freies Bewegen auf dem Schulhof, „Fast Lanes“ in Schule und Klassenraum. Ich werfe dieses Thema gespannt in die Mittagstisch-Runde. Das wäre ja Ausgrenzung, meint meine Tochter. Ihre anschließende Zusammenfassung deckt sich erstaunlich gut mit der Expertenmeinung der Psychologen. Das wäre ja wie in der „Welle“, ergänzt der Junior. Wie praktisch, dass ich dieses Buch schon in den Lesestapel des Nachwuchses geschmuggelt habe. Aber es wäre doch für einen guten Zweck, zum Wohle der Gemeinschaft, wage ich noch einen provokanten Vorstoß. Zieht aber nicht. Wenn Schüler möglicherweise nur deshalb etwas tun, um zur bessergestellten Gruppe zu gehören, um nicht diskriminiert zu werden, dann wäre das nicht okay. Da stimme ich gern zu. Konformistische Anreize an Schulen finde ich absolut nicht okay. Hoffen wir mal, dass der derzeitige Aufschrei auch dann noch zu hören ist, wenn es um Privilegien für Geimpfte geht. Ich hab etwas gegen gespaltene Gesellschaften. Das war historisch noch nie eine kluge Idee.
Der grüne Punkt bringt uns schließlich wieder zum Nationalsozialismus, der ist ja ohnehin gerade dran – und zu den Geschwistern Scholl. Kommt häufiger vor, denn wir wohnen auf ihrer Straße. „Sophie Scholl“ ist ein sehr bewegender Kinofilm aber noch nichts für den Nachwuchs. Er lässt mich auch nach Jahrzehnten noch nicht los. Wie hätte ich mich wohl selbst verhalten? Wie wäre es, wenn mir zwar Besitz und Stellung egal sind, aber in letzter Konsequenz doch das eigene Leben, mindestens jedoch das meiner Familie? In einer echten Diktatur ist Rebellion deutlich folgenreicher als im heutigen Deutschland, schauen wir uns an. Und dennoch ist bequemes Mitläufertum noch sehr verbreitet.