Der Lehrermangel im Land wird immer dramatischer, meldet die Tagespresse. Ja brat mir doch einer einen Storch, wer hätte das gedacht? Das Land bildet 22 % der benötigten Sekundarschullehrer aus. Wie schön. Die marginale Bedarfslücke decken wir sicher locker durch die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Sachsen-Anhalt. Zumindest werden immerhin 3 von 4 Grundschulklassen einen Lehrer haben. Das ist doch nett. Man hätte Fehleinschätzungen im Hinblick auf Schülerzahlen getroffen, meint der Wirtschafts- und Wissenschaftsminister. Stimmt. Wieviel Jahrzehnte eigentlich schon? Merkwürdigerweise hat sich auch die Zahl der Absolventen entgegen erstaunlich optimistischer Erwartungen zum Negativen entwickelt. Dabei haben wir doch in den letzten Jahren derart viel für die Attraktivität des Lehrberufs getan. Top Ausstattung an den Schulen, vernünftige Klassenstärken, durchgängige Unterstützung der Lehrkräfte durch Sozialarbeiter, Berücksichtigung von pädagogischem Mehraufwand durch Migrationshintergründe, Digitalisierung von Lernmethoden, und, und, und. Ach, haben wir nicht? Hm. Dann muss es das Ansehen des Lehrers in der Gesellschaft und entsprechend wertschätzende Bezahlung sein, denn schließlich legen wir die Zukunft unserer jungen Generation in Lehrerhände. Auch nicht?
Warum kopieren wir nicht wieder ein bisschen aus dem föderalismusfreien Skandinavien? Dort stellt niemand die Autorität einer Lehrkraft in Frage. Und attraktive Vergütung auch nicht. Mit einer klitzekleinen Voraussetzung. Nur 10% der Bewerber aufs Lehramt werden überhaupt zugelassen, las ich mal. Der Rest scheitert an den eignungsdiagnostischen Zulassungskriterien in Sachen Sozialkompetenz. Ob ein Mathelehrer kritikfähig oder empathisch ist, er Autorität ausstrahlen kann, er notfalls Seelsorger ist, spielt bei uns so gut wie keine Rolle. Wichtig ist, dass er sich fachlich auf dem Niveau eines Diplom-Mathematikers bewegt. Ich schaue mal an der Uni Halle. Mathematik für Gymnasium kann ich problemlos studieren. Einzige Zugangsvoraussetzung ist ein Notendurchschnitt durch Numerus Clausus. Im letzten Semester wurden alle Bewerber zugelassen. Waren demnach wohl zu wenig Anwärter. Ob man da auch mit Abi 4,0 eine Chance hat? Sicher sollte eine Lehrkraft dem Schüler etwas voraushaben, aber es müssen keine Welten sein. Denn auch ein Lehrer darf Schwächen haben.
In den 5 bis 10 Minuten Fachlehrergespräch, die uns jährlich als Eltern zustehen, interessiere ich mich weniger für Noten. 5 bis 10 Minuten habe ich die Chance einzuschätzen, ob die Entwicklung meiner Kinder in wesentlichen Zeitanteilen ihres jungen Lebens in guten Händen ist. 5 bis 10 Minuten, um häusliche Mentalbetreuung zu überdenken, wenn die Ansichten allzu preußisch sind oder sich die Lehrkraft offenbar an der eigenen Schulzeit rächen muss. 5 – 10 Minuten um zu erkennen, ob der Junior vom Unterricht mitgerissen werden wird oder ich gelegentlich mal die Motivation überprüfen muss. Ob der Schüler eine eigene Meinung haben darf und ob es auffallen wird, falls die letzte Reihe sich wieder mit den 100 besten Witzen beschäftigt. Klingt ein wenig anmaßend? Als ich feststellen musste, dass eins meiner Kinder in der 5. Klasse längerfristig, heimlich und nicht ganz symptomfrei die Idee entwickelte, es müsse später unter einer Brücke schlafen, weil es gerade nicht mehr in Mathe mitkommt, fand ich das gar nicht witzig. Seit dem interessiere ich mich sehr dafür, was Schule mental mit unserem Nachwuchs macht.
Ich wünsche mir, dass Kinder Schule als etwas Bereicherndes erleben. Dass Lernen Spaß macht. Und dass Lehrer Lern- und Lebensberater sind, denen man als Eltern blind vertrauen kann.

PS: Ich bitte darum, den Begriff „Lehrer“ eigenständig durch „Lehrer und Lehrerinnen“, „Lehrende“, „Lehrer*innen“, „Lehrer:innen“, Lehrer (m/w/d), Lehrerin (GN) oder sonstige persönliche Vorlieben zu ersetzen.